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Holzmaden Fossilien Restauration

Ein Zeitfenster vor 180 Mio. Jahren

Posidonienschiefer und Pyrit

Hintergrund und Beispiele

Pyritzerfall

Fossilien aus dem Posidonienschiefer von Holzmaden verdanken ihre herausragende Erhaltung der zumindest zweitweisen nur geringen Zufuhr an frischem Wasser. Begünstigt durch reiches Planktonleben in den oberen Wasserschichten, bildete sich am Meeresboden giftiger Schwefelwasserstoff und Bitumen. Bei der Fossilisation wurde der Schwefel vorrangig als Pyrit eingelagert, weshalb die angetroffenen Fossilien teilweise oder vollständig aus Markasit und Pyrit bestehen.

Pyrit ist ein kubisch kristallisierendes Eisen­sulfid mit der chemischen Zusammenset­zung FeS2. Markasit hat die gleiche chemische Zusammensetzung, im Gegensatz zu Pyrit ist Markasit aber orthorhombisch. Durch den Kontakt mit Feuchtigkeit und Sauerstoff kann ein Zerfallsprozess einsetzen, der nicht sofort sichtbar ist, die entstehenden Oxydationsprodukte können jedoch die Fossilien zerstören. Es gilt folgende Reaktionsformel für den Pyritzerfall:

4FeS2 + 13O2 + 2H2O → 4FeSO4 + 2H2SO4 + 2SO2

"Bei dem Zerfall von [Pyrit und] Markasit entstehen schweflige Säure und verschiedene Sulfate. Eisensulfat kann bei einer relativen Luftfeuchtigkeit von 60 % zu Melanterit, dem siebenfachen Hydrat des Eisensulfats reagieren und somit eine Volumenexpansion von über 250 % erzielen! Schweflige Säure ist hygroskopisch und wird auch durch Luftfeuchtigkeit hydrolysiert. Insbesondere bei der fast immer gegebenen Anwesenheit von Tonmineralien bilden sich neben den Eisensulfaten auch Aluminiumsulfate, die auch hygroskopisch sind und durch Aufnahme von Luftfeuchtigkeit weiter reagieren. Es setzt eine autokatalytische Reaktion ein, die nicht nur den verbliebenen Markasit, sondern auch den chemisch stabilen Pyrit angreift. Bei einigen besonders anfälligen Fossilien reicht hierfür schon eine relative Luftfeuchtigkeit von 30 % aus. Zum Vergleich sei darauf verwiesen, dass eine übliche relative Raum- Luftfeuchtigkeit zwischen 40 % bis 50 % liegt. Bei calcitischen Fossilien reagiert die schweflige Säure nicht nur mit dem Pyrit, sondern auch mit dem Calcit und bildet Gips. Damit können an einer Sprengung des Fossils nicht nur die Aluminium- und Eisensulfate, sondern auch der großvolumige Gips beteiligt sein."

Auszug aus: Barlage M., Lobbe R. (2006): "Konservierung sulfidisierter Fossilien – zwei Methoden im Vergleich", In: Der Präparator (52), S.84, Bremen 2006. 

Holzmaden

Unter dem Titel "Ichthyosaurier in Gefahr!" berichtet das Staatliche Museum für Naturkunde Stuttgart über die Bemühungen, pyritisierte Holzmaden-Fossilien vor dem Zerfall zu schützen. Nach diesen Beobachtungen sind neben der chemischen Oxidation auch Schwefeleisen abbauende Bakterien an der Freisetzung von aggressiver Schwefelsäure beteiligt. 

Holzmaden_Ichthyosaurier_Stuttgart_vor_und_nach_Restauration
Der Rumpf von Stenopterygius unter vor (links) und nach (rechts) der Restaurierung (Bild: C. Gascó Martín / SMNS).

Gerade bei Holzmaden-Fossilien ist maßgebliches Edukt vor der Umwandlung die Kristallform Pyrit. Feinkörniger, dispers verteilter, ehemals gelförmig abgeschiedener Pyrit, sogenannter Melnikovit, ist in der Regel viel instabiler als Markasit. Der Zerfall geht einher mit der Tätigkeit bestimmter Bakterien bzw. Archaea, deren Stoffwechsel auf der Oxidation von Sulfid zu Sulfit bzw. Sulfit zu Sulfat beruht. Pyrit ist für diese Wesen ein Leckerbissen wie Zucker für uns. 

Weitere Produkte der Ausblühungen sind Melanterit (Eisenvitriol) bzw. dessen Entwässerungsprodukte (Siderotil, Rozenit, Szomolnokit) neben Römerit (rosabraun) und Copiapit (gelb) und bei Anwesenheit von Aluminium auch Halotrichit.

Besonders gefährdet sind Ichthyosaurier. Der Magenbereich mit erhöhten Konzentrationen an organischer Substanz und Phosphat ist dann besonders gefährdet, wenn das umgebende Sediment (Faulschlamm) eine hohe Anreicherung an [Pyrit und] Markasit aufweist. Dies ist erfahrungsgemäß grundsätzlich bei Fossilien aus Dotternhausen der Fall, untergeordnet aber auch aus den klassischen Fundstellen um Holzmaden.

Dass es bei Ichthyosauriern mit entsprechendem Potential tatsächlich zu "Ausblühungen" kommt, erfordert eine zweite nachteilige Randbedingung, eine nicht sachgerechte Aufbewahrung mit erhöhten Luftfeuchtegehalten.

Auch historisch bedeutsame Museumsstücke sind davon betroffen:

Holzmaden_Ichthyosaurier_Pyritzerfall
Holzmaden_Ichthyosaurier_Pyritzerfall

Erfahrungsgemäß machen sich Umwandlungen bei Holzmaden-Fossilien infolge Pyritzerfall in den ersten Jahren nach Bergung, Präparation und Präparation bemerkbar, zunächst (für den Experten) erkennbar an minimalen Farbanpassungen. Umgekehrt bergen Altfunde, eine sachgerechte Aufbewahrung vorausgesetzt, ein geringes Risiko für Ausblühungen.

Anders verhält es sich, wenn sich die Randbedingungen plötzlich ändern, z.B. durch (zunächst unbemerkte) Wasserzutritte infolge eines Wasserschadens. Hierzu wurde ich vom Kurator des Yale Peabody Museum of Natural History als Gutachter eingeschaltet:

"Goldammoniten"

Ein ähnliche Herausforderung, insbesondere für Privatsammler, stellt der Umgang mit Pyrit- bzw. "Gold"-Ammoniten, typischen Fossilien des Schwarzen Jura (Lias beta/gamma) und Braunen Jura (Dogger) dar. Beobachten lässt sich hier eine mitunter viel stärkere Dynamik und "Ansteckungsgefahr" als bei den in ihrer Matrix eingebetteten Holzmaden-Fossilien.

Die Behandlung bzw. Restauration dieser eher kleinteiligen Fossilien ermöglicht eine vollflächige und tiefdringende Neutralisierung der sauren Zerfallsprodukte durch eine chemische Vorbehandlung, die nachfolgend beschrieben wird. 

Holzmaden_Krogmann_Lehmann_2009_Pyritzerfall

Bildnachweis: Krogmann & Lehmann (2009): Anwendung von Mikroklimaten in der Konservierung von Pyrit und Markasit.

Sanierungsverfahren

Theoretisch am erfolgversprechendsten ist der rigorose präventive Ansatz, den Zutritt von Feuchtigkeit und Sauerstoff zu unterbinden, bevor der Zersetzungsprozess des Pyrits bzw. Markasits beginnt. Die Aufbewahrung in wasser- und sauerstofffreien, pH-neutralen oder basischen Flüssigkeiten oder auch das Einschweißen in Vakuumbehälter bzw. Folientaschen gilt zwar als zuverlässig, ist aber entweder hinsichtlich der Präsentation und Handhabbarkeit der Fossilien unbefriedigend oder schlicht zu kostspielig. Dabei zu beachten ist auch, dass die Anfänge des Pyritzerfalls zumeist unsichtbar im Inneren des Fossils ablaufen mit dem dort vorhandenen Restporenwasser, so dass eine reine Oberflächenversiegelung eher verzögernden als vorbeugenden Charakter hat und im schlimmsten Fall durch den Einschluss des Wassers und das Unterbinden seiner Ausdunstung den Zerstörungsprozess sogar noch beschleunigen kann. 

Holzmaden

Für Holzmaden-Fossilien bewährt hat sich eine Restauration in folgenden Schritten:

  • Mechanische Reinigung mittels Druckluftstichel und Feinstrahler (Natriumbicarbonat), Abtrag der Matrix, soweit von der Ausblühung sichtbar betroffen, Lösen einzelner Fossilien (z.B. Wirbel, Seelilienglieder, etc.)
  • Chemische Reinigung mittels Aceton, um das enthaltene Porenwasser zu verdrängen und Zerfallsprodukte bereits im Vorfeld so weit wie möglich zu entfernen
  • Abtrag der Matrix, soweit von der Ausblühung sichtbar betroffen
  • Stabilisierung der infolge der Ausblühung entstandenen Hohlräume und Risse mittels Acrylatkleber/StarBond
  • Reparatur von Matrix und Fehlstellen am Fossil mittels ApoxySculp und natürlichen Farbpigmenten
  • Verschleifen und Angleichen der Matrix
  • Einlass und Versiegelung mittels Polyvinbutryalharz (Paraloid B67), einem Acrylpolymer mit hydrophoben Eigenschaften
  • ggf. Einlass mittels Fluat zur Farbstabilsierung
  • ggf. Farbliche Anpassung von Fehlstellen unter Verwendung von Farbpigmenten

Eine Weiterentwicklung dieses Verfahrens, geeignet auch für Wand-Fossilien, finden Sie nachfolgend:

"Goldammoniten"

Für  "Gold-Ammoniten" kommt ein anderes Verfahren zum Einsatz, erstmals von CORNISH & DOYLE (1984) vorgeschlagen und nachfolgend vertieft (u. a. RICHTER 1992, BARLAGE & LOBBE): Der Komplexbildner Ethanolaminthioglycolat soll lösliche und unlösliche Eisenverbindungen – nicht aber Pyrit bzw. Markasit! – aus dem Fossil lösen bzw. stabilisieren, saure Zerfallsprodukte neutralisieren und dabei gleichzeitig durch die intensive Farbe des ggf. entstehenden Eisenkomplexes einen optisch eindeutig wahrnehmbaren Indikator für den Grad des Zerfalls bzw. den Fortschritt der Stabilisierung bieten, so dass die Behandlung bis zur optimalen Wirkung durchgeführt werden kann. Im Idealfall sollen so sämtliche instabilen Komponenten entfernt und ein weiteres Ausblühen (vorläufig) verhindert werden.

In unterschiedlichen Variationen ist dieses Verfahren erprobt und anerkannt. Die Präparatoren des Natural History Museum (London) arbeiten mit dieser Methode . Die auf diese Weise behandelten Fossilien zeigen auch nach 20 Jahren  keine weiteren Zerfallserscheinungen (persönliche Mitteilung DOYLE, zitiert in: BUSCHSCHLÜTER, 2006).

Die Konservierung erfolgt typischerweise in folgenden Schritten:

  • Chemische Reinigung der zu behandelnden Stücke in Spiritus, um das enthaltene Porenwasser zu verdrängen und Zerfallsprodukte bereits im Vorfeld so weit wie möglich zu entfernen.
  • ggf. zusätzliche Reinigung mittels Ultraschallbad, um Luft aus dem Inneren zu entfernen und eine vollständige Tränkung zu erreichen (mit dem einer Vakuumbehandlung vergleichbaren Ergebnis, aber schonender, da keine Luftblasen expandieren).
  • Imprägnation der Fossilien mittels einer 2%-igen Lösung von Ethanolaminthioglycolat in Spiritus.
  • Einwirkung der Fossilien in der Konservierungslösung bis zur einsetzenden Bildung violetter Schlieren als Indikator angegriffener Bereiche.
  • Waschen der Fossilien im Spiritusbad
  • Austrocknung im Trockenschrank o.ä., durch die Hitzeeinwirkung werden eventuell vorhandene Schwefelbakterien abgetötet (Pasteurisierung)
  • Stabilisierung der infolge der Ausblühung entstandenen Risse bzw. Klebung bereits loser Teile mittels Acrylatkleber/StarBond
  • Einlass und Versiegelung mittels Polyvinbutryalharz (Paraloid B67), einem Acrylpolymer mit hydrophoben Eigenschaften
  • ggf. Einlass mittels Fluat zur Farbstabilisierung
  • ggf. Farbliche Anpassung von Fehlstellen unter Verwendung von Farbpigmenten

Praxisbeispiele

Holzmaden

Die Sanierung eines von Ausblühungen befallenen Ichthyosauriers nach obig beschriebenem Konzept wird nachfolgend beispielhaft anhand von Bildmaterial dokumentiert.

Holzmaden_Pyritzerfall_vor Behandlung



Vom Pyritzerfall befallene Partien führen oftmals zu einer "Aufsprengung" und bedürfen der Stabilisierung mittels niedrigviskosem Acrylatkleber.

Das erste Anzeichen für den Zerfall ist der charakteristische Geruch nach faulen Eiern. Im fortgeschrittenen Stadium ist Schwefel mit bloßem Auge sichtbar. Es gilt, die befallenen Bereiche von Fossil und umgebender Matrix großzügig zu entfernen.

Holzmaden_Pyritzerfall_Feinstrahler_03a
Holzmaden_Pyritzerfall_Feinstrahler_03b

Dabei kommen auch Druckluftstichel und Feinstrahler zum Einsatz.

Holzmaden_Pyritzerfall_Reinigung_04a
Holzmaden_Pyritzerfall_Reinigung_04b

Die zuvor mechanisch vorbehandelten Stellen werden anschließend mittels Aceton gereinigt.

Holzmaden_Pyritzerfall_Einkleben_05a
Holzmaden_Pyritzerfall_Einkleben_05b
Es folgt das Einkleben zuvor entnommener und gereinigter Partien.
Holzmaden_Pyritzerfall_Angleichung_06a
Holzmaden_Pyritzerfall_Angleichung_06b

Die Oberflächen werden angeglichen und geglättet. Fehlstellen werden korrigiert.

Holzmaden_Pyritzerfall_Restauration_Endzustand

Im Endzustand präsentiert sich das Fossil befreit von Ausblühungen.

Ein weiteres Beispiel mit Anwendung eines neuen Verfahrens zur Tiefenimprägnation, geeignet auch für Wand-Fossilien, finden Sie nachfolgend:

"Goldammoniten"

Dasselbe Verfahren findet modifiziert Anwendung für Ammoniten mit Pyritzerfall. Anbei ein Beispiel für die erfolgreiche Sanierung eines von Ausblühungen befallenen Phylloceras aus der Sammlung von Pfarrer Dr. Theodor Engel. Der weitere Zerfall konnte gestoppt und ein historisch bedeutsamer Fund gesichert werden.

  • Ausgangszustand, instabil, mit deutlich sichtbarer "Aufsprengung" infolge Pyritzerfall mit einhergehender Volumenvergrößerung und Schwefelausblühung.
  • Einlegen in Brennspiritus (mind. 94% Ethanol) für 15 Min.
  • Ultraschallbad, solange feine Luftbläschen aufsteigen
  • (Mehrfach-)Anwendung 2%-ige Lösung von Ethanolaminthioglycolat in Spiritus.
  • Nach Waschen der Fossilien im Spiritusbad und Austrocknung im Trockenschrank Klebung  mittels Acrylatkleber/StarBond und Zweikomponentenkleber/Epoxi.
  • Einlass und Versiegelung mittels Polyvinbutryalharz (Paraloid B67), einem Acrylpolymer mit hydrophoben Eigenschaften
  • Endzustand nach Restauration

In eigener Sache

Als Diplom-Geologe beschäftige ich mich seit 1989 intensiv mit der Präparation von Fossilien. Zu Beginn meiner Ausbildung habe ich als Wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Geologische Institut Tübingen, heute dem Senckenberg-Museum angegliedert, Fossilien in dessen Bestand präpariert.

Holzmaden_Präparation_01
Holzmaden_Präparation_02

Seitdem präpariere ich in einer eigens eingerichteten und ständig weiter entwickelten Werkstatt. Zum Einsatz kommen dabei Werkzeuge und Methoden nach aktuellem Stand der Technik und Wissenschaft.

Resultate meiner langjährigen Präparation sind u.a. hier einsehbar:

Von mir weiter entwickelte Präparationsmethoden haben neue Erkenntnisse zu Tage gebracht und geben Anlass für wissenschaftliche Untersuchungen.

In meiner Freiberuflichen Tätigkeit als Sachverständiger für Fossilien restauriere ich u.a. Fossilien mit Pyritzerfall mit dem Ziel, den aktuellen Zerfallsprozess zu stoppen und den Ist-Zustand zu stabilisieren. Das von mir entwickelte Verfahren der Tiefenimprägnation ermöglicht eine weitergehende Stabilisation.

Zu meinen Kunden und Partnern zählen öffentliche Museen, Firmen, Sammler, Nachlassverwalter und Versicherungen. Gerne berate ich Sie über geeignete Lager- und Ausstellungsbedingungen und ggf. erforderliche Restaurationen.